Die wichtigsten HRV-Parameter – Teil 1: Zeitbezogene Parameter (2024)

Es gibt viele verschiedene Herzratenvariabilitäts-Parameter, einige dieser Parameter gelten als Indikatoren für die parasympathische, andere für die sympathische und wieder andere für die gesamte Aktivierung. Was sich genau dahinter versteckt, haben wir im ersten Teil dieser Serie ja bereits erfahren.

Alle HRV-Parameter haben eins gemein, sie beruhen auf der Auswertung sogenannter RR-Intervallen.

Die RR-Intervalle

Als RR-Intervall bezeichnet man generell den Abstand zwischen zwei Herzschlägen, welcher Auskunft über die Erregungsausbreitung in den Herzkammern liefert. In der Regel sind diese Abstände nicht gleich lang, sie unterliegen also zeitlichen Schwankungen. Diese Schwankungen, sprich die Dauer zwischen den einzelnen R-Zacken, lassen sich mit einem EKG genau messen. Als Ergebnis erhält man eine Sequenz all dieser "Dauern" (RR-Intervalle).

In der Abbildung sind zwei verschiedene Sequenzen mit jeweils 22 RR-Intervallen dargestellt. In der RR-Sequenz auf der linken Seite variiert die RR-Dauer gering im Vergleich zu der RR-Sequenz im rechten Teil der Abbildung. Entsprechend ist links die Herzratenvariabilität eher gering, rechts eher hoch.

Leider befinden sich in der Sequenz von gemessenen RR-Intervalle häufig Messfehler und Artefakte, welche durch entsprechende Filter entfernt bzw. geglättet werden müssen. Aus der gefilterten RR-Sequenz können dann die HRV-Parameter berechnet werden, welche man wiederum in zeitbezogene und frequenzbezogene Parameter unterteilt.

Wie die einzelnen HRV-Parameter aus der RR-Sequenz berechnet werden ist dankenswerterweise rein mathematisch definiert. Wie allerdings aus den HRV-Parametern durch entsprechende Analysetechniken wiederum aussagekräftige Indikatoren für physische und psychische Belastung, Krankheit und Fitness berechnet werden, ist die höhere Kunst. Genau an dieser Stelle unterscheiden sich auch die verschiedenen HRV-Tools am Markt stark voneinander. Hier trennt sich also sprichwörtlich die "Spreu vom Weizen".

Die zeitbezogenen HRV-Parameter

Beginnen wir mit den zeitbezogenen HRV-Parametern. Diese sind einfache statistische Maße, die direkt auf der gesamten Sequenz der RR-Intervalle einer Messung berechnet werden. Die wichtigsten Paramter sind:

  • Mittlere RR-Dauer
  • Mittlere Herzfrequenz
  • SDNN (Standard Deviation of RR-Intervals)
  • RMSSD (Root Mean Sum of Squared Distance)
  • pNN50

Mittlere RR-Dauer

Die mittlere RR-Dauer ist mathematisch betrachtet, der arithmetische Mittelwert über alle RR-Intervalle einer Messung in [ms]. RRi bezeichnet das i-te RR-Intervall und N ist die Anzahl aller RR-Intervalle der Messung.

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Mittlere Herzfrequenz

Die mittlere Herzfrequenz, auch Puls genannt, berechnet sich aus dem Mittelwert der RR-Intervalle und wird in [Schläge/Minute] angegeben.

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Die zueinander reziproken Parameter, mittlere RR-Dauer und mittlere Herzfrequenz, zählen nicht zu den HRV-Parametern im engeren Sinne, aber beide Werte werden schon lange und häufig als Indikator für die Belastung verwendet. Typischerweise werden sie während des Trainings gemessen, auf den Sportuhren als Puls angezeigt und als Maß für die Intensität der Belastung interpretiert. Da es sich bei beiden Parametern um Mittelwerte handelt, ist für ihre Bestimmung nicht wie im Fall der folgenden HRV-Parameter eine hohe zeitliche Messauflösung notwendig. Entsprechend werden diese Werte auch von vergleichsweise einfachen Geräten angezeigt und können heute hinreichend genau auch am Handgelenk gemessen werden - ein Brustgurt ist nicht zwingend erforderlich.

Für alle im folgenden beschriebenen HRV-Parameter ist allerdings eine genaue Messung der RR-Intervalle und eine sogenannte Beat-by-Beat - Aufzeichnung notwendig. Einige Brustgurte, wie der Polar H10, bieten bereits diese EKG-Genauigkeit bei der Aufzeichnung.

SDNN (Standard Deviation of RR-Intervals)

SDNN ist die Standardabweichung der RR-Intervalle im Messzeitbereich und wird in [ms] angegeben. Die Standardabweichung beschreibt wie stark die einzelnen RR-Intervalle um deren Mittelwert streuen. Je stärker die Streuung umso höher die Standardabweichung. Umgekehrt wäre die Standardabweichung gleich 0, wenn alle Messwerte identisch wären.

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Der SDNN gilt als Maß für die Gesamtaktivierung des vegetativen Nervensystems - also für die Summe aus sympathischer und parasympathischer Aktivierung. Er zeigt an, wie gut das vegetative Nervensystem die Abläufe im Körper regeln kann. Da der SDNN Wert mit der Länge der Messzeit steigt, sollten Messungen nur mit den gleichen Messbedingungen wie beispielsweise immer im Liegen und der gleichen Messdauer durchgeführt werden. So können Verfälschungen bei Werten wie der SDNN ausgeschlossen werden.

RMSSD (Root Mean Sum of Squared Distance)

Mathematisch ausgedrückt ist der RMSSD ist die Quadratwurzel des Mittelwerts über alle Quadrate der Differenzen aufeinanderfolgender RR-Intervalle und wird ebenfalls in [ms] angegeben.

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Der RMSSD misst die kurzzeitigen Veränderungen aufeinanderfolgender RR-Intervalle. Er gilt als fundiertes Maß für die parasympathische Aktivierung und wird häufig als Indikator für die Erholungsfähigkeit, Fitness und Gesundheit interpretiert.

Der RMSSD-Wert zeigt, wie schnell der Körper auf Belastung reagieren kann. Ein hoher Wert bedeutet, dass der Körper gut mit dem Wechsel von Belastung und Entlastung umgehen kann. Er lässt demnach Rückschlüsse auf die Stressbelastung zu.

Umgekehrt kann ein reduzierter RMSSD auf physische Belastung (etwa nach einem intensiven Training), psychische Belastung (Stress) oder Krankheit hinweisen.

Auch beim RMSSD ist der Quervergleich zwischen unterschiedlichen Menschen und deren RMSSD-Werte nicht sinnvoll, sondern vielmehr sollte der Längsvergleich von Werten einer einzelnen Person genutzt werden. Durch viele Messungen können die Veränderungen des RMSSD und natürlich auch anderer HRV-Parameter erkannt und daraus persönliche Richtwerte ermittelt werden.

pNN50

pNN50 ist der Anteil aller Paare von aufeinanderfolgenden RR-Intervallen, die mehr als 50 ms voneinander abweichen. Für die Berechnung dieses Parameters bestimmt man die Anzahl von Paaren aufeinanderfolgender RR- Intervalle mit einer Differenz > 50 ms und teilt diesen Wert durch die Anzahl aller Paare von aufeinanderfolgenden RR-Intervallen.

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Der pNN50 korreliert stark mit dem RMSSD und gilt ebenfalls als fundiertes Maß für die parasympathische Aktivierung. Vergleichsweise zum RMSSD ist er aber nachhaltiger und steht mehr für die generellen Kraftreserven. Erste Verschlechterungen lassen sich an ihm schneller ablesen.

Die frequenzbezogenen HRV-Parameter

Die zeitbezogenen HRV-Parameter haben nun bereits kennengelernt, bleiben uns noch die frequenzbezogenen Parameter. Diese schauen wir uns im nächsten Artikel dieser #HRV-Serie an.

Die wichtigsten HRV-Parameter – Teil 1: Zeitbezogene Parameter (2024)

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